Sinnlosigkeit von Rache und Krieg / Heiliger Nikolaj Velimirovic Gebete am See
Sinnlosigkeit von Rache und Krieg / Hl Nikolaj Velimirovic LXXIV und LXXV
Die Brutalität und Mordlust des Ersten Weltkrieges und Zweiten Weltkrieges verspeiste viele Opfer auf dem Balkan. Doch ein Mensch, ein Heiliger, der Goldmund von Serbien, Bischof Nikolaj Velimirovic, hatte die Gnade und Kraft sich dem Sog der Vernichtung und dem Teufel zu widerstehen und sich zu widersetzen. Zu seinen Lebzeiten kümmerte er sich um die Gräber der deutschen Soldaten aus dem Ersten Weltkrieg, wofür er später während des Zweiten Weltkrieg von Hitler selbst begnadigt wurde und dem Tode entkam. Er entkam jedoch nicht dem Konzentrationslager Dachau und wurde erst nach Ende des Krieges befreit[1], [2]. Aus dem Munde von Heiligen Nikolaj Velimirovic, der so viel Blut und Leid gesehen hat, kommen die mahnenden und warnenden Worte seiner Gebete, die er am Ohrid See verfasste und die unter dem Namen “Gebete am See“ erschienen sind.
Mit Erlaubnis vom Herausgeber und Übersetzer dieses Buches Johannes Wolf, möchte ich die zwei markantesten Gebete, die sich gegen die Sinnlosigkeit von Rache und Krieg erheben, wiedergeben, in der Hoffnung, dass wir Menschen durch sie wachsen, lernen und zum Frieden nach Innen und nach Außen finden.
Es handelt sich und das Gebet Nr. LXXIV “Es schaut der Vater vom Himmel herab“ S. 155-156
und LXXV “Segne Herr meine Feinde“S. 157-158, das bereits in deutschsprachiger geistlicher Literatur bekannt ist und zu finden ist unter:
LXXIV , S. 155-156 unter https://www.orthlit.de/ oder https://www.edition-hagia-sophia.de/p/heiliger-nikolaj-velimirovic-gebete-am-see zu bekommen.
Es schaut der Vater vom Himmel herab, und sieht mich ganz in Wunden von der Ungerechtigkeit der Menschen, und sagt: Räche dich nicht.
An wen sollte ich mich rächen, Herr? Am Schnee, dafür, daß er schmilzt, oder am Gras, dafür. Daß er welkt? Rächt sich ein Totengräber an denen, die ins Grab steigen?
An wem sollte ich mich rächen? An Einfaltspinseln, die denken, daß sie irgendjemandem sonst in der Welt außer sich selbst Böses zufügen können? Rächt sich ein Lehrer an analphabetischen Kindern, die nicht zu lesen verstehen?
Die Ewigkeit ist mein Zeuge, daß all jene, die schnell dabei sind, Vergeltung zu üben, nur langsam ihre Geheimnisse lesen und verstehen.
Die Zeit ist mein Zeuge, dass all jene, die Rache nehmen, Gift in sich sammeln, und mit diesem Gift ätzen sie ihre Namen aus dem Buch der Lebendigen.
Womit könnt ihr Rächer euch vor euren Feinden brüsten, außer, daß ihr es schafft , ihr Übel zu wiederholen? Sagt ihr dadurch nicht: „Wir sind nicht besser als ihr?“
Gott ist mein Zeuge: Ihr seid wie eure Feinde gleichermaßen leichtsinnig und unfähig zu Guten.
Ich sah einen Kirschbaum, den Kinder entrindeten und anbrannten. Und doch schenkte er denselben Kindern seine reife Frucht.
Und ich sah Kühe, von den Menschen mit schweren Lasten gequält; geduldig gaben sie denselben Menschen ihre Milch.
Und Tränen steigen auf in meinen Augen: Warum ist die Natur geduldiger zu8 den Menschen als der Mensch gegenüber seinem Mitmenschen?
Die Natur ist mein Zeuge, ihr Rächer: Ein Mensch ist nur dann mächtiger als jene, die ihm Böses antun, wenn er machtlos ist, ihre bösen Taten zu wiederholen.
Es gibt kein Ende der Rache, und die Erben setzen das Werk ihrer Väter fort und verschwinden dann, hinterlassen es unfertig.
Entlang der breiten Straße jagt das Böse und gewinnt aus jedem neuen Zweikampf Stärke und Raum, und es vervielfacht sein Gefolge.
Ein Weiser geht von der Straße herunter und überlässt das Jagen dem Bösen.
Ein Stück Brot besänftigt den bellenden Hund schneller als ein Haufen von Steinen.
Der die Menschen lehrte: ein Auge für ein Auge, lehrte sie auch, daß sie alle blind bleiben würden.
An wem sollte ich mich rächen, mein himmlischer Vater? An einem Teil der Herde, die auf dem Weg ist zur Schlachtbank?
Ach, wie erbärmlich sind alle Übeltäter und Rächer! Wahrlich, sie ähneln einer Herde, die auf dem Weg ist, geschlachtet zu werden und sich nicht bewußt ist, was sie erwartet. Sie stoßen einander mit den Hörnern und begehen ein Schlachten vor dem Schlachten.
Ich trachte nicht nach Vergeltung, mein Vater, nicht trachte ich nach Vergeltung, sondern trachte danach, daß du mir ein Meer an Tränen gewähren mögest, damit ich das Elend derer beweine, die auf dem Weg zum Schlachten sind und nicht wissen, wohin sie gehen.
LXXV S 157-158
Segne meine Feinde, Herr. Auch ich segne sie ja und verfluche sie nicht.
Mehr als die Freunde haben die Feinde mich in Deine Umarmung gedrängt. Die Freunde banden mich an die Erde, doch die Feinde haben mich von der Erde gelöst und all meine irdischen Hoffnungen zerstört.
Feinde machten mich zu einem Fremdling in den irdischen Reichen und zu einem entbehrlichen Bewohner der Welt. Wie ein gejagtes Tier eher sicheren Schutz findet als ein nicht gejagtes, so fand ich, verfolgt von den Feinden, die sicherste Zuflucht, mich verbergend in Deinem Zelt, wo weder Feinde noch Freunde meine Seele zu erschlagen vermögen. Segne meine Feinde, Herr. Auch ich segne sie ja und verfluche sie nicht.
Sie haben an meiner Stelle meine Sünden vor der Welt bekannt.
Sie haben mich gegeißelt, wenn ich zögerte, mich selbst zu geißeln.
Sie haben mich gequält, wenn ich den Qualen zu entfliehen versuchte.
Sie haben mich verhöhnt, wenn ich mir schmeichelte. Sie haben mich angespien, wenn ich stolz auf mich war.
Segne meine Feinde, Herr. Auch ich segne sie ja und verfluche sie nicht.
Wenn ich mich weise machte, haben sie über mich gespottet wie über einen Zwerg.
Wenn ich die Menschen zu führen versuchte, haben sie mich in den Hintergrund gedrängt.
Wenn ich eilte, reich zu werden, haben sie mich mit eiserner Hand daran gehindert.
Wenn ich daran dachte friedlich zu schlafen, haben sie mich aus dem Schlaf geweckt.
Wenn ich versuchte, ein Haus für ein langes und geruhsames Leben zu bauen, haben sie es zerstört und mich hinausgeworfen.
Wahrlich, die Feinde haben mich aus der Welt gelöst und meine Hände hin zum Saum Deines Gewandes gestreckt.
Segne meine Feinde, Herr. Auch ich segne sie ja und verfluche sie nicht.
Segne sie und vermehre sie. Vermehre sie und laß sie gegen mich noch erbitterter sein –
auf daß meine Flucht zu Dir ohne Rückkehr sei;
auf daß all mein Hoffen auf Menschen wie Spinnweb zergehe;
auf daß die vollkommene Ruhe der Demut in meoiner Seele herrsche;
auf daß mein Herz zum Grab der beiden bösen Zwillinge werde: Hochmut und Zorn;
auf daß ich all meine Schätze im Himmel sammle;
ach, auf daß ich endlich von der Selbsttäuschung frei werde, die mich im schrecklichen Netz des trügerischen Lebens gefangennahm.
Feinde haben mich zu wissen gelehrt – was kaum jemand weiß –, daß jeder Mensch keine Feinde hat außer sich selbst.
Man haßt seine Feinde nur, wenn man nicht weiß, daß sie keine Feinde sind, sondern rohe Freunde.
Es fällt mir wirklich schwer zu sagen, wer in der Welt mir mehr Gutes und wer mir mehr Böses getan hat: Freunde oder Feinde.
Segne daher, Herr, sowohl meine Freunde als auch meine Feinde.
Ein Sklave verflucht die Feinde, denn er versteht nicht. Doch ein Sohn segnet sie, denn er versteht.
Denn ein Sohn weiß, daß seine Feinde nicht sein Leben berühren können. Daher bewegt er sich frei zwischen ihnen und betet zu Gott für sie.
Segne meine Feinde, Herr. Auch ich segne sie ja und verfluche sie nicht.
Das Original finden Sie unter: Molitve na jezeru https://www.rastko.rs/bogoslovlje/vlnikolaj-molitva_jezero.html pesma LXXV i LXXVI
Von Aleksandra Franke am 29.09.2024
[1] Sveti Nikolaj Srpski DVD Dokumentarni Film. Zu bekommen unter https://spc-berlin.com/ telefonisch.
[2] https://www.orthlit.de/links/orthodoxes-archiv/ unter dem Punkt : Hl Nikolaj Velimirovic Leben und Werk im historischen Kontext.